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Selbst angefertigtes Kunsthandwerk verkaufen: freiberuflich oder gewerblich?

Frage

Ich bin studierte Kunsthistorikerin (Abschlüsse: Bachelor und Master of Arts), jedoch hauptberuflich in einer ganz anderen Branche tätig. Da ich auch kunsthandwerklich tätig bin (bisher nur als Hobby), überlege ich, ob ich nebenberuflich eine Existenz gründe, um diese kunsthandwerklichen Produkte zu verkaufen. Ich stelle mir dafür einen Online-Shop vor. Ich stelle aus Papier zwei unterschiedliche "künstlerische Produkte" her: - Schmuckstücke aus Papier und eigenen Fotografien (Bereich Schmuck) - Glückwunschkarten, Einladungen, Danksagungen usw. aus Papier (Bereich Karten). Die Produkte aus beiden Bereichen stelle ich selber her. Zum Teil mit eigenständig verziertem Papier, eigenen Fotografien oder gekauften Design-Papieren. Ich verwende auch Seiten aus Büchern, Magazinen, Zeitungen etc.

Nun stellt sich mir die Frage, ob es sich bei der Kartenherstellung bzw. der Schmuckherstellung um Tätigkeiten handelt, die den Freien Berufen zugeordnet werden. Oder sind diese kunsthandwerklichen Tätigkeiten nicht "ausreichend künstlerisch", um freiberuflich tätig zu sein? Ich habe mich bereits informiert, dass ich gegebenenfalls ein Gewerbe anmelden kann, um meine Produkte zu verkaufen. Ich würde dann wahrscheinlich die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Das Gewerbe soll ja lediglich nebenberuflich bestehen, so dass der Umsatz nicht mehr als 17.500 Euro betragen würde.

Antwort

Wenn der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit nicht im Handwerk, sondern in Kunst und Design liegt, kann ein Freier Beruf vorliegen. Hierbei handelt es sich um künstlerische Tätigkeiten, deren Arbeitsergebnisse einen praktischen Nützlichkeits- bzw. Gebrauchszweck aufweisen können (z.B. Karten für unterschiedliche Anlässe, insbesondere in Serien). Diese Tätigkeit muss auf einer eigenschöpferischen Leistung beruhen, in denen eine "individuelle Anschauungsweise" zum Ausdruck kommt. Dabei muss eine "gewisse künstlerische Gestaltungshöhe" erreicht werden. Ein gewerblicher Verwendungszweck schließt die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit dann nicht aus, wenn der Kunstwert den Gebrauchswert übersteigt. Dies kann bei Schmuck, aber auch bei Karten grundsätzlich der Fall sein. Eigenschöpfungen können auf allgemeinen Vorgaben von Auftraggebern beruhen, müssen laut Rechtsprechung aber in der künstlerischen Umsetzung durch die Künstlerin gestaltet sein.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 17.7.1958 führte eine gewerbliche Zweckbestimmung dazu, dass eine gestalterische Leistung generell nicht als eine künstlerische Tätigkeit eingestuft wurde. Seither hat sich die Rechtsprechung jedoch grundlegend geändert, hier in Bezug auf Grafikdesigner: "Für die Gerichte ist seitdem allein entscheidend, ob der Grafikdesigner ohne Rücksicht auf die spätere Verwendung seiner Arbeit schöpferische Leistungen vollbringt, also Leistungen, in denen sich seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft widerspiegeln und die neben einer hinreichenden Beherrschung der Technik der betreffenden Kunstart eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen." Sofern eine einschlägige (Hochschul-)Ausbildung vorliegt, ist davon auszugehen, dass die "hinreichende Beherrschung der Technik" vorliegt.

Bei Serienproduktion ist von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen. Die Rechtsprechung hat die Größenordnung einer Serie nicht genau festgelegt, doch dürfte bei Schmuck die Zahl 20 nicht überschritten werden, bei Karten ist die Serie wohl deutlich größer und damit in Richtung Gewerbe einzuordnen. Für den Verkauf bzw. den Vertrieb von Schmuck oder Karten gelten wiederum besondere Anforderungen, denn freiberuflich wäre diese Tätigkeit nur dann, wenn "der Eigenvertrieb sich auf eine dem Design (im betreffenden Urteilstext des Bundesfinanzhofes heißt es \'der schriftstellerischen Tätigkeit\') dienende Funktion beschränkt" - Aktenzeichen VIII R 111/71. Weiter wird es gewerblich, wenn eine "zu diesem Zweck geschaffene organisatorische Einrichtung" zu einer "neuen Erwerbsgrundlage" führt. Damit sind die Grenzen zwischen Freiem Beruf und Gewerbe bei der Vermarktung fließend. Für die Praxis würde dies bedeuten, dass eine Abstimmung dieser Frage mit dem zuständigen Finanzamt und die Einbeziehung eines Steuerberaters dringend zu empfehlen wäre.

Soll auf jeden Fall verhindert werden, dass der gewerbliche Vertrieb oder auch Verlag den Freien Beruf "infiziert" (Steuerdeutsch), so sind diese Tätigkeiten steuerlich getrennt zu behandeln. Zu empfehlen wäre hierfür zunächst die Gründung eines zweiten Unternehmens, auf jeden Fall aber eine getrennte Buchführung sowie unterschiedliche Bankkonten. Eine Möglichkeit wäre auch, Verkauf in einem gewerblichen Unternehmen zusammenzufassen. Schließlich könnte man auch ein Fremdunternehmen mit dem Vertrieb beauftrage (Galerie usw.). Dies ist bei der von Ihnen angegebenen Größenordnung wohl eher Theorie.

Freiberufler kommen in die Lage, wie hier im Gegensatz zu dem Vertriebsunternehmen keine Einnahmen erschließen zu können, weil nur über verkauften Schmuck oder Karten Umsätze erzielt werden. Dies kann insofern geändert werden, als man auch Rechnungen als Designer an das Vertriebsunternehmen stellen könnte für die Designleistung. Dies wäre auch in Form von Rechnungen an ein eigenes Vertriebsunternehmen möglich. Für derartige Feinheiten ist aber unbedingt ein Steuerberater zu empfehlen. Aber auch des ist in Ihrem Fall wohl nur bedingt relevant.

Hier noch zwei Hinweise:
1. Besonders wichtig ist der Schutz geistigen Eigentums auch und gerade im Design, etwa durch eine Geschmacksmusteranmeldung.
2. Für Sie wäre der Zugang zur Künstlersozialversicherung möglich. Dabei wäre zu beachten, dass die Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung nicht automatisch zu einer allgemeinen Einordnung als Freier Beruf führt.

Die Kleinunternehmerregelung gilt für alle Unternehmen, sowohl gewerbliche als auch freiberufliche - hierbei handelt es sich um eine umsatzsteuerliche Kategorie und nicht um eine Frage der einkommensteuerlichen Zuordnung als Freier Beruf! Bei der Größenordnung der von Ihnen erwarteten Umsätze ist die Frage der Gewerbesteuerpflicht nachrangig, da Sie zwar gewerbesteuerpflichtig sein könnten, aber tatsächlich diese Steuer nicht abführen müssten.

Beachten Sie bitte noch das Folgende: Es kommt immer wieder vor, dass die Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert werden. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) bei Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Beachten Sie bitte: Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte "verbindliche Auskunft" des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit sehr hohen Anforderungen und auch mit Kosten verbunden.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander M.A.
Diplom-Betriebswirt (FH)
Geschäftsführer
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
Juli 2014

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