Antwort
Die Tätigkeit als Diplom-Psychologe lässt sich - soweit sie psychotherapeutisch tätig sind - den Heilberufen zuordnen und stellt als sog. Katalogberuf unstreitig einen Freien Beruf dar. Dabei können sie auch beratende Funktionen ausüben, indem Sie Individuen beraten und sie mit Methoden der angewandten wissenschaftlichen Psychologie unterstützen (vgl. Begr. RegE, BT-Drucksache 12/6152 S. 10).
Allerdings könnte der Freiberuflerstatus in Ihrem Fall problematisch sein, da Sie Ihre Dienste online (per E-Mail und Chat) anbieten. Die Freiberuflichkeit ist jedoch dadurch charakterisiert, dass die Leistung persönlich und eigenverantwortlich erbracht wird. Im Besonderen bei einer Online-Dienstleistung ist es daher zwingend erforderlich, dass ein deutlich interaktiver Austausch in individueller und spezifischer Form mit dem Nutzer vorliegt. Welche Intensität dieser interaktive Austausch konkret aufweisen muss, ist bis heute nicht abschließend geklärt.
Die Durchführung von Seminaren kann als sog. „unterrichtende Tätigkeit“ freiberuflich sein. „Unterricht im Sinne des Einkommensteuergesetzes ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form“ (vgl. BFH-Urteile vom 13.01.1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und vom 18.04.1996 IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl. 1996, 573). Die organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts erfordert u.a. ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm zur Vermittlung von Kenntnissen. Der Unterricht kann hierbei auch individuell in Form von Einzelunterricht erteilt werden (vgl. Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und in BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). Ein formaler Nachweis ist für die Ausübung der unterrichtenden Tätigkeit grundsätzlich nicht erforderlich. Auf den Gegenstand des Unterrichts kommt es nicht an (vgl. BFH v. 1. 4. 1982, R 130/79).
Anders als für das Finanzamt sind für das Gewerbeamt die Qualifikation der Ausübenden und der Lehrinhalt sehr wohl entscheidungsrelevant. Im lehrenden Bereich tendieren die Gewerbeämter zunehmend dazu, den Unterricht als gewerblich einzustufen. Sie begründen ihre Entscheidung in der Regel damit, dass für die konkrete Art des Unterrichts keine besondere Qualifikation erforderlich ist und somit die Erbringung einer höherwertigen Leistung, welche für die Freiberuflichkeit charakteristisch ist, nicht vorliegt. Da davon auszugehen ist, dass in Ihren Seminaren psychologische Themen behandelt werden und diese nur mit entsprechendem Fachwissen angeboten werden können, wird wohl auch das Gewerbeamt die Tätigkeit als freiberuflich einstufen.
Bitte beachten Sie:
Die abschließende Einstufung (Freier Beruf - Gewerbe) obliegt allein dem zuständigen Finanz- und Gewerbeamt und ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
Selbstständig Lehrende (Unterrichtende), die keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, unterliegen grundsätzlich der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung: www.deutsche-rentenversicherung.de
Hinsichtlich der Rechtsform, empfehle ich Ihnen die Gründung eines Einzelunternehmens. Unter einem Einzelunternehmen können verschiedene Dienstleistungen „laufen“, vorausgesetzt, zwischen diesen Dienstleistungen besteht ein sachlicher Zusammenhang. Dies wäre etwa nicht der Fall, wenn neben einer Rechtsanwaltskanzlei eine Physiotherapiepraxis betrieben wird. Obwohl es sich jeweils um einen Freien Beruf handelt, müssten zwei (freiberufliche) Einzelunternehmen angemeldet werden. Klären Sie im Bedarfsfall, ob in Ihrem Fall der erforderliche Zusammenhang besteht.
Nähere Informationen zum Einzelunternehmen, insbesondere zur Haftung, finden Sie in den GründerZeiten Nr. 11: Rechtsformen (PDF, 1.006 KB).
Aufgrund der Haftung als Einzelunternehmerin empfehle ich Ihnen den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Nähere Informationen zu den Versicherungen finden Sie in den GründerZeiten Nr. 05: Versicherungen (PDF, 790 KB).
Quelle: Chanell Eidmüller
Rechtsanwältin
Leiterin der Gründungsberatung
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
Januar 2017
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