Antwort
Heilerziehungspflege als freier Beruf: Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) listet in einem Schreiben zur „ertragsteuerlichen Behandlung von Heil- und Heilhilfsberufen“ jene Berufe aus diesem Bereich auf, die als freie Berufe angesehen werden, ohne im Einkommensteuergesetz genannt zu sein. Heilerziehungspflege ist nicht dabei. Auch eine Rechtsprechung in Bezug auf die Zuordnung zu freien Berufen ist mir nicht bekannt. Quelle BMF
Die Suche nach ähnlich gelagerten Fällen kommt zu folgendem Ergebnis: In der Rechtsprechung findet sich etwa ein Urteil des Bundesfinanzhofs zu einem Fachkrankenpfleger: „Die Tätigkeit eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene ist dem Katalogberuf eines Krankengymnasten ähnlich und führt daher zu freiberuflichen Einkünften“ (BFH v. 06.09.2006 - XI R 64/05 BStBl 2007 II). Ein anderes Beispiel: „Ein selbstständig tätiger Krankenpfleger kann Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit erzielen, wenn er Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringt. Bedient er sich dabei qualifizierten Personals, setzt eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit voraus, dass er auch selbst gegenüber jedem Patienten pflegerisch tätig wird. Leistungen der häuslichen Pflegehilfe führen zu Einkünften aus Gewerbebetrieb (BFH Urteil vom 22.1.2004, IV R 51/01, BStBl II 2004, 509).
Eine Vergleichbarkeit der vorliegenden Berufsbilder ist offenbar nur sehr bedingt gegeben. Nach meiner Erfahrung haben Sie aber gute Chancen, der freiberuflichen Berufsgruppe der Unterrichter zugeordnet zu werden.
Vertiefende Informationen finden Sie in der PRAXISHILFE: Lehrende, Trainer und Coaches – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit?
Wie Sie dieser Information entnehmen können, stellt das Coaching eine Besonderheit dar, da es den beratenden und nicht den unterrichtenden Tätigkeiten zugeschrieben wird. Da es in der Heilerziehungspflege aber zum Berufsbild gehört, erscheint hier eine Einbeziehung in den freien Beruf denkbar.
Hinzu käme bei Ihnen eine erzieherische Tätigkeit. Diese Dienstleistung erfordert eine umfassende Schulung des Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im Ganzen. Eine erzieherische Tätigkeit liegt nach der Rechtsprechung nur im Umgang mit Kindern und Jugendlichen vor!
Zum Online-Unterricht und Coaching: Hier ist eine „persönliche Beziehung zum Schüler“ erforderlich. Da die Freiberuflichkeit im Besonderen dadurch charakterisiert ist, dass die Leistung persönlich und eigenverantwortlich erbracht wird, ist es zwingend notwendig, dass im Rahmen von Online-Diensten ein deutlich interaktiver Austausch in individueller und spezifischer Form vorliegt.
Wird Heilerziehungspflege den freien Berufen zugeordnet, ist stets zu fragen, ob die angebotenen Dienstleistungen auch in diesem Berufsbild angesiedelt sind. Sie sollten dem Finanzamt gegenüber begründen, dass Sie Ihre Dienste nur für den Zeitraum online anbieten, in dem coronabedingte Beschränkungen bestehen.
Sie könnten also dem Finanzamt eine „selbstständige unterrichtende und erzieherische Tätigkeit“ anzeigen („selbstständig“ steht hier für freiberuflich). Dazu sollten Sie auch Ihre Qualifikationen angeben!
Beachten Sie bitte noch das Folgende: Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflerinnen oder Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberuflerin oder Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden. Auch hier gilt: Sprechen Sie mit Ihrem Finanzamt.
Zu den Räumlichkeiten: Sollten Sie Mieterin sein, ist zu raten, Ihre Tätigkeit mit der Vermieterin oder dem Vermieter abzustimmen. Dies ist auch meist in Mietverträgen vorgesehen. Die Vermieterin oder der Vermieter hat zu prüfen und zu begründen, ob und inwieweit mit der freiberuflichen Nutzung eine für die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner unzumutbare Belastung eintritt. Verfügen Sie über Räumlichkeiten in Ihrem Eigentum, sprechen Sie mit dem Bauamt!
In der gesetzlichen Rentenversicherung wird der Begriff der selbstständig Lehrenden sehr weit gefasst. Beachten Sie deshalb bitte besonders die entsprechenden Vorgaben.
Abschließend empfehle ich „Gründen – kurz und knapp: Freie Berufe“.
Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Stand:
Juli 2020