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Selbstständig in der Pflegeberatung: Freiberuflich oder gewerblich?

Frage

Bin ich vielleicht Freiberuflerin?

Ich habe mich als PflegeGRADberaterin für Kinder mit Einschränkungen selbstständig gemacht. Ich verhelfe nur auf beratender Basis meinen Klienten (den Eltern der Kinder) einen passenden Pflegegrad für ihr Kind zu bekommen. Ich übernehme keine pflegerischen Tätigkeiten. Meine Gemeinde hat mich als Gewerbetreibende angemeldet. Sehen Sie das auch so? Als Freiberuflerin hätte ich einige Vorteile.

Antwort

Das Bundesministerium für Gesundheit beschreibt die Anforderungen an die Pflegeberatung wie folgt: „Die komplexe Tätigkeit der Pflegeberatung setzt entsprechend qualifiziertes Personal mit Berufserfahrung in dem erlernten Beruf voraus. Als Erstausbildungen kommen neben einer Ausbildung als Sozialversicherungsfachangestellte vor allem Ausbildungen nach dem Altenpflegegesetz oder nach dem Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege infrage. Eine weitere Möglichkeit ist eine Ausbildung als Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter. Daneben kommen aber auch Personen mit anderen geeigneten Berufen oder Studienabschlüssen in Betracht.

Zusätzlich zu den in ihrer Berufsausbildung oder ihrem Studium erworbenen Grundqualifikationen müssen die Pflegeberaterinnen und Pflegeberater die für die Beratungstätigkeit erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse durch Weiterbildungen sowie ein Pflegepraktikum nachweisen.“

Bundesministerium für Gesundheit-Pflegeberatung 

Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen sind auch in Einrichtungen der Pflegeberatung tätig.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, berufenet

Somit kann die Pflege(grad)beratung dem Berufsbild des Sozialarbeiters bzw. der Sozialarbeiterin zugeordnet werden.

Zur Anmeldung beim Finanzamt: Es war und ist von Finanzämtern häufig geübte Praxis, Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen mit Hochschulabschluss als den Psychologen ähnliche Berufe einzustufen und damit den freien Berufen zuzuordnen. Diplom-Psychologen sind nicht im Einkommensteuergesetz, sondern im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) als freier Beruf genannt („Katalogberuf“) und fungieren – wie andere Katalogberufe auch – als Referenzberuf.

Es liegt jedoch ein Urteil des Finanzgerichts Köln vor, das zu einem anderen Ergebnis kommt. Demnach ist eine Diplomsozialarbeiterin bei der Betreuung behinderter und suchtkranker Menschen gewerblich tätig. Der Bundesfinanzhof hat dieses Urteil bestätigt (BFH-Urteil vom 29.9.2020, VIII R 10/17 (veröffentlicht am 25.2.2021); Vorinstanz: FG Köln vom 1.6.2017, 15 K 243/14

Zitat aus dem Urteil: „Die Tätigkeit der Klägerin, die demnach auf den Ausgleich individueller, gemeinsam mit dem Klienten bestimmter Defizite gerichtet war, betraf einzelne, ausgewählte Bereiche und war -…- nicht auf eine umfassende Schulung des Charakters der Klienten bzw. die Bildung von deren Persönlichkeit im Ganzen gerichtet.“

Nun erscheint dieses Urteil nicht als der Weisheit letzter Schluss. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzämter darauf Bezug nehmen. Sollten Sie sich trotz dieser Feststellungen entschließen, dem Finanzamt einen freien Beruf anzuzeigen, so beachten Sie bitte noch das Folgende: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflerinnen undFreiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberuflerin oder Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte "verbindliche Auskunft" des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden.

Unabhängig davon können und sollten Sie sich mit dem Finanzamt in Verbindung setzen, das auch eine beratende Funktion hat. Nach meiner langjährigen Erfahrung werden Sozialarbeiterinnen, insbesondere mit Masterabschluss, von den Finanzämtern nahezu regelmäßig als freiberuflich eingestuft. Voraussetzung ist, dass sie im Rahmen ihres Berufsbildes tätig sind.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung

Stand:
Juni 2022

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