Navigation

Coach für Persönlichkeitsentwicklung: freiberufliche Tätigkeit?

Frage

Ich habe vor, mich als Coach für Persönlichkeitsentwicklung selbständig zu machen. Die Beratung soll hauptsächlich online erfolgen. Ich würde gern wissen wollen, ob ich in die Kategorie der Freiberufler gehöre. Ich bin ausgebildete Sport- und Fitnesstrainerin. Ich habe mehrere Diplome im Body- und Mind-Bereich. Zuletzt war ich als Berufsberaterin und Dozentin in einer privaten Ausbildungsakademie tätig. Ich besitze den Ausbilderschein und eine Urkunde als Prüferin (IHK).

Antwort

Grundsätzlich stehen Ihnen für das Coaching zur Persönlichkeitsentwicklung mit der unterrichtenden Tätigkeit und der einer beratenden Betriebswirtin vergleichbaren Dienstleistung zwei Wege in den freien Beruf offen. Im Folgenden gehe ich ergänzend auch auf die erzieherische Tätigkeit ein.

Unterricht ist nach der Rechtsprechung die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form. Diese organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts setzt unter anderem ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm voraus. Erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines speziell auf die Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine beratende Tätigkeit. Eine wissenschaftliche Fachausbildung oder ein formaler Befähigungsnachweis ist nach dem Einkommensteuerrecht für eine unterrichtende Tätigkeit im Allgemeinen nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Unterrichtende die sein Unterrichtsgebiet betreffenden Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, sowie die Fähigkeit, diese den Schülern zu vermitteln

Nach dem Gewerberecht jedoch liegt Unterricht als „Dienstleistung höherer Art“ in der Regel nur dann vor, wenn für die Ausübung der Tätigkeit ein Hochschulstudium erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass zahlreiche Lehrende in unterschiedlichsten Fächern fälschlicherweise von freiberuflichen Tätigkeiten ausgehen, weil ihnen der gewerberechtliche Aspekt nicht bekannt ist. Betroffene Personen vermuten dann nach Anzeige eines freien Berufes beim Finanzamt ebenso häufig wie fälschlich eine Anerkennung als Freiberufler. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) bei Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und Kosten verbunden. Dass bei unterrichtenden Tätigkeiten die gleichzeitige Gültigkeit von Einkommensteuer- und Gewerberecht schwer nachvollziehbar ist, gestehe ich Ihnen gerne zu.

Gelegentlich wird Coaching auch mit erzieherischer Tätigkeit in Verbindung gebracht. Eine erzieherische Tätigkeit erfordert eine umfassende Schulung des Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im Ganzen. Eine erzieherische Tätigkeit liegt nach der Rechtsprechung nur im Umgang mit Kindern und Jugendlichen vor! Der Bundesfinanzhof hat das Coaching von Managern zwecks Bewältigung von Führungsaufgaben als gewerblich eingestuft (BFH-Urteil vom 11.6.1997, XI R 2/95, BStBl. 1997 II S. 687). Für erzieherische Tätigkeiten gelten die Beschränkungen des Gewerberechts zur Dienstleistung höherer Art nicht!

Damit kommen wird zur beratenden Betriebswirtin als möglichem Referenzberuf für den Zugang zu freien Berufen. Voraussetzung hierfür ist zunächst ein einschlägiger Hochschulabschluss als Volkswirtin oder Betriebswirtin oder eine vergleichbare Vorbildung, hier etwa der Abschluss einer Fachschule als staatlich geprüfter Betriebswirt. In Ausnahmefällen können auch Autodidakten in den Kreis der freien Berufe einbezogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt demzufolge als beratender Betriebswirt nur derjenige in Betracht, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist, und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. In einem Hauptbereich der BWL sind Sie als Coach zur Persönlichkeitsentwicklung nicht tätig.

Zur Online-Beratung ist das Folgende festzustellen: Da die Freiberuflichkeit im Besonderen dadurch charakterisiert ist, dass die Leistung persönlich und eigenverantwortlich erbracht wird, ist es zwingend erforderlich, dass im Rahmen von Online-Diensten ein deutlich interaktiver Austausch in individueller und spezifischer Form vorliegt. Zur Frage der persönlichen Dienstleistung ohne direkten Kontakt ist die Rechtsprechung nicht auf der Höhe der Zeit. Bei Berufen mit besonderem Vertrauensverhältnis geht die Tendenz aber dahin, Online-Beratung ohne vorherigen direkten Kontakt als gewerblich einzustufen.

Sie müssen als trotz Ihrer hohen und breit gefächerten Qualifikation davon ausgehen, Ihr Coaching nicht als „Dienstleistung höherer Art“ eingestuft zu sehen. Auch als beratende Betriebswirtin in einkommensteuerlichen Sinne scheinen Sie die Anforderungen nicht gänzlich zu erfüllen. Diese Feststellung gilt ungeachtet der Tatsache, dass viele Lehrende und Coaches bei den Finanzämtern als Freiberufler geführt werden, in Unkenntnis der gewerberechtlichen Beschränkungen und ohne nähere Prüfung durch die Behörde.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Mai 2018

Tipps der Redaktion:

Hotline 030-340 60 65 60 Für allgemeine Fragen
Montag bis Donnerstag: 8:00 - 18:00 Uhr
Freitag: 8:00 - 12:00 Uhr
nach oben