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Online-Nachhilfe-Institut: freiberufliche Tätigkeit?

Frage

Meine Freundin und ich würden gerne ein Online-Nachhilfe-Institut für das Fach Deutsch eröffnen, wobei verschiedene Disziplinen für Kinder und Jugendliche zugänglich gemacht werden sollen. Wir studieren beide auf Lehramt für das Fach Deutsch, wobei meine Freundin bereits im Master ist und ich in den Endzügen meines Bachelors. Was müssen wir genau dabei beachten, wenn wir dieses Online-Business eröffnen wollen?

Antwort

Unterrichtende Tätigkeiten sind im Einkommensteuerrecht wie folgt definiert: Werden in fachlich strukturierter, in institutionalisierter und organisierter Form Wissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten an Schülerinnen und Schüler vermittelt, so liegt eine unterrichtende Tätigkeit vor. Der Unterricht muss mittels eines schulmäßigen Programmes erfolgen. Kenntnisse müssen auf der Grundlage eines für das bestimmte Fachgebiet allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lehrprogramms vermittelt werden. Unterricht umfasst hier nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern auch von praktischen Fertigkeiten. Für einen institutionalisierten Unterricht sind ein typisches Lehrprogramm und eine persönliche Beziehung des Unterrichtenden zum Schüler erforderlich. Der Unterrichtscharakter muss durchgängig gewährleistet sein, eine punktuelle Anleitung genügt nicht. Erfordert die Tätigkeit die Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Es handelt sich hierbei um eine beratende Tätigkeit, die hier gewerblich wäre.

Stichwort „persönliche Beziehung zum Schüler“: Da die Freiberuflichkeit im Besonderen dadurch charakterisiert ist, dass die Leistung persönlich und eigenverantwortlich erbracht wird, ist es zwingend erforderlich, dass im Rahmen von Online-Diensten ein deutlich interaktiver Austausch in individueller und spezifischer Form vorliegt. Nähere Informationen zu unterrichtenden Tätigkeiten bietet die PRAXISHILFE: Lehrende, Trainer und Coaches – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit? (PDF, 101 KB).

Bei unterrichtenden Tätigkeiten ist das Gewerberecht noch besonders relevant. Demnach liegt hier eine freiberufliche Tätigkeit nur dann vor, wenn die Dienstleistung persönlich erbracht wird und von „höherer Art“ ist, also regelmäßig eine Hochschulausbildung erfordert. Können also auch Lehrende ohne Hochschulabschluss diese Tätigkeit ausüben (wie Sie als Studierende), liegt gewerberechtlich keine freiberufliche Tätigkeit vor. Grundsätzlich ist das Gewerbe anzumelden. Allerdings kann vereinzelt ein so genannter gewerberechtlicher „Bagatellfall“ vorliegen, bei dem nur vorübergehend oder in wenigen Fällen unterrichtet wird. Hier sollten Sie mit dem Gewerbeamt sprechen. Grundsätzlich sind die Einkünfte aus unterrichtender Tätigkeit in der Steuererklärung anzugeben.

Da Sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, wäre noch die erzieherische Tätigkeit zu erwähnen. Erziehung bedeutet nach der Rechtsprechung die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen; dabei wird unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden, selbstständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Wichtigste Voraussetzung für die erzieherische Tätigkeit ist, dass die ganze Persönlichkeit geformt wird. Davon können Sie bei Online-Unterricht nicht ausgehen. Abgesehen von der genannten Ausnahme (Bagatelle) müssten Sie also ein Gewerbe anmelden.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung

Stand:
Mai 2020

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