Antwort
Die Zuordnung zum freien Beruf nach dem Einkommensteuerrecht nimmt Ihr Finanzamt vor. Eine im Folgenden lediglich näherungsweise Bestimmung Ihrer einkommensteuerlichen Zuordnung ist vor allem damit zu erklären, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung in erheblichem zeitlichem Abstand hinter der Entwicklung von neuen Arbeitsfeldern und Berufsbildern zurückbleiben. Anders formuliert: Sie sind offenbar dem Sinn und Zweck des Gesetzes nach Freiberuflerin, jedoch ist dieser Status in den verfügbaren Rechtsrahmen schwer zuzuordnen. Aus diesem Grund muss ich Sie hier vorsorglich auf Folgendes aufmerksam machen: Akzeptiert das Finanzamt Ihre Dienstleistung als freiberuflich („selbstständig“ im Steuerdeutsch), ist damit keine formelle Anerkennung verbunden. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die „verbindliche Auskunft" des Finanzamtes, die mit hohen Anforderungen und auch mit Kosten verbunden ist. Für eine beratende und planende Tätigkeit im Bereich Social Media liegen nach meiner Erkenntnis weder Richtlinien der Finanzverwaltung noch einschlägige Urteile vor. So will ich im Folgenden mögliche Zugänge für Sie in den freien Beruf erläutern.
Zugang 1: Die beratende Betriebswirtin bzw. der beratende Betriebswirt
Der Haupteingang in den freien Beruf für beratende Tätigkeiten führt über die beratende Betriebswirtin bzw. EDV-Beraterin und der beratende Betriebswirt bzw. EDV-Berater. Die Rechtsprechung stellt hierzu fest: „Mit der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts ist kein festes Berufsbild verknüpft. Die Rechtsprechung hat als beratenden Betriebswirtin und beratenden Betriebswirt diejenigen angesehen, die eine bestimmte Berufsausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft erworben haben. Außer der Ausbildung an einer Universität oder technischen Hochschule mit Diplomabschluß kann diese Ausbildung auch an einer Fachhochschule mit dem Abschluß als graduierter Betriebswirtin bzw. als graduierter Betriebswirt oder an einer Fachakademie mit dem Abschluß als staatlich geprüfte Betriebswirtin bzw. als staatlich geprüfter Betriebswirt erreicht werden. Beratende Volks- und Betriebswirtin und beratender Volks- und Betriebswirt werden deshalb nur diejenigen, die entweder über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebswirtin oder Betriebswirt verfügt oder die sich in Form eines vergleichbaren Selbststudiums, verbunden mit praktischer Erfahrung, Kenntnisse in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre angeeignet haben, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden. Sie müssen die fachliche Breite seines Wissens bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen können und auch einsetzen (vgl. BFH-Urteile vom 18. August 1988 – V R 73/83 BStB1 II 1989, 212; und vom 28. Juni 1989 – I R 114/85 BStB1 II 1989, 956).“ Die notwendige Breite der Betätigung ist schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH in BFHE 154, 327, BStBI 1989, 212). Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des BFH: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen.
Inwieweit Ihre Qualifikation hier als einschlägig bzw. ausreichend erachtet wird, bleibt der Einschätzung des Finanzamtes vorgehalten. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen müssen Sie sich einer Einzelfallprüfung unterziehen. Detaillierte Informationen zum beratenden Betriebswirt bietet die PRAXISHILFE: Beratender Betriebswirt als freier Beruf.
Zugang 2: ingenieurähnliche Tätigkeit
Wenn Sie nicht zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ oder „Diplom-Informatiker“ (oder vergleichbarer Abschlüsse) berechtigt sind, kann eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes vorliegen, wenn Sie einen „ähnlichen Beruf“ ausüben. Dieser ähnliche Beruf muss dem Beruf des Ingenieurs sowohl in Bezug auf die Berufsausbildung als auch hinsichtlich der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit im Wesentlichen gleichen (Bundesfinanzhof BFH 9.2.06, IV R 27/05, BFH/NV 06, 1270). In diesem Zusammenhang müssen Kenntnisse in sämtlichen Bereichen eines Ingenieurstudiums nachgewiesen werden können. Dies gilt auch für Autodidakten. Dabei verlangt der Bundesfinanzhof, „dass der Steuerpflichtige qualifizierte Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) entwickelt" (BFH 4.5.04, XI R 9/03, BStBl II 04, 989). Inwieweit Ihr Hochschulabschluss über Grundkenntnisse der Informatik hinausreicht, kann ich nicht beurteilen. Entsprechendes gilt für Ihre Berufserfahrung.
Zugang 3: EDV-Beraterin/ EDV-Berater, EDV-Consulting u.ä.
Wenn Sie Hardware, Systemsoftware oder Anwendersoftware (siehe BFH Urteil vom 04.05.2004 – Az. XI R 9/03) entwickeln, sind Sie freiberuflich tätig. Es kann sich um einen der Ingeneurin und dem Ingenieur (Katalogberuf der freien Berufe) ähnlichen Beruf handeln. Dies gilt sowohl für Hochschulabsolventen (Dipl.-Informatikerin, dem Dipl.-Informatiker oder vergleichbare naturwissenschaftliche Ausbildung) als auch für den Autodidakten, der den Nachweis entsprechender theoretischer Kenntnisse anhand eigener praktischer Arbeiten erbringt. Als gewerblich anzusehen ist die selbstständige EDV-Beratung in Form der Anwenderbetreuung (BFH-Urteil vom 24.08.1995 (IV R 60,61/91))
EDV-Consulting und Software Engineering und Systemadministration: Nach zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22. September 2009 können EDV-Consulting und Software Engineering sowie Systemadministration als freiberufliche Tätigkeiten eingestuft werden. Im ersten Fall handelt es sich um einen Autodidakten, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, und der Betriebs- und Datenübertragungssysteme einrichtet und betreut. Im zweiten Fall hat der BFH im Hinblick auf ein Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zugunsten eines als Systemadministrator tätigen Diplom-Ingenieur für technische Informatik entschieden.
Zugang 4: Wissenschaftliche Tätigkeit
Aus der Rechtsprechung: „Nach der Rechtsprechung des BFH ist Voraussetzung für die Bejahung einer wissenschaftlichen Tätigkeit, daß eine hochstehende, besonders qualifizierte Beschäftigung ausgeübt wird, die der Forschertätigkeit vergleichbar ist. Es muß eine schwierige Aufgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen, d.h. nach streng sachlichen und objektiven Grundsätzen zu lösen versucht werden. Der Begriff der Wissenschaften ist in besonderem Maße mit den Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden. Wissenschaftlich tätig ist nicht nur derjenige, der schöpferische oder forschende Arbeit leistet (reine Wissenschaft), sondern auch derjenige, der das aus der Forschung hervorgegangene Wissen auf konkrete Vorgänge anwendet (angewandte Wissenschaft). Von wissenschaftlichem Arbeiten kann aber nur dann gesprochen werden, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Sinnzusammenhang gebracht werden, wie z.B. in einem wissenschaftlichen Gutachten über schwierige Fragen (vgl. Senatsurteile in BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826, und vom 26. November 1992 IV R 109/90, BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235).“
BFH, 29.04.1993 - IV R 61/92
Zugang 5: Unterrichtende Tätigkeit
Eine andere freiberufliche Betätigung wäre die unterrichtende Tätigkeit, die hier wie folgt definiert ist: Werden in fachlich strukturierter, in institutionalisierter und organisierter Form Wissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten an Schüler vermittelt, so liegt eine unterrichtende Tätigkeit vor. Der Unterricht muss mittels eines schulmäßigen Programmes erfolgen. Kenntnisse müssen auf der Grundlage eines für das bestimmte Fachgebiet allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lehrprogramms vermittelt werden. Unterricht umfasst hier nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern auch von praktischen Fertigkeiten. Erfordert hingegen die Tätigkeit die Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Es handelt sich hierbei um eine beratende Tätigkeit, und damit wären wir wieder bei der beratenden Betriebswirtin.
Würden Sie nur Kinder und Jugendliche zum Umgang mit Social Media beraten, käme noch eine erzieherische Tätigkeit in Frage. Hier gelten die folgenden Voraussetzungen: Erziehung ist die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung von jungen Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen. Eine erzieherische Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung nur im Umgang mit Kindern und Jugendlichen gegeben!
Siehe PRAXISHILFE: Lehrende, Trainer und Coaches – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit?
Ergebnis: Bei der unterrichtenden Tätigkeit können Sie von Freiberuflichkeit ausgehen. Darüber hinaus wäre eine wissenschaftliche Tätigkeit als Möglichkeit anzusehen. Dabei ist es wichtig, welche Berufsbezeichnung Sie in der Anmeldung beim Finanzamt verwenden. Meine Empfehlung lautet: „Medieninformatikerin und Medienwissenschaftlerin“. Welche Bezeichnung Sie dann im Geschäftsleben wählen, ist eine andere Frage. Bei der Anmeldung könnten Sie Ihren Hochschulabschluss hinzufügen, eventuell auch ein Berufsbild.
Nach den vorliegenden Informationen ist nicht auszuschließen, dass Ihre Dienstleistung im Bereich der sozialen Medien als gewerblich eingestuft wird. Möglicherweise liegt bei Ihnen auch eine „trennbar gemischte Tätigkeit“ vor. Hierbei übt eine Einzelfreiberuflerin sowohl eine freiberufliche (z.B. unterrichtende) als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, wobei diese steuerlich getrennt zu behandeln sind.
Sollten Sie sich entscheiden, eine gemischte Tätigkeit anzugeben, so wäre Ihnen diese Information sicher mehr als tröstlich: Als Einzelunternehmerin wird Ihnen bei der Gewerbesteuer ein jährlicher Freibetrag von 24.500 Euro auf den Gewinn gewährt.
Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Stand:
Februar 2021
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