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Produktvertrieb für einen Auftraggeber: scheinselbständig?

Frage

Ich möchte eine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter von Pedelecs beim Gewerbeamt anmelden. Nun hat die Sachbearbeiterin allerdings Bedenken, ob es sich dabei um Scheinselbständigkeit handelt und möchte den Gewerbeschein daher nur ausstellen, wenn Sie auch die Prüfung auf Scheinselbständigkeit an das Hauptzollamt weitergibt. Grund ihrer Annahme ist die Tatsache, dass ich vorerst nur für einen Auftraggeber das Produkt vertreibe. Gemäß § 84 Abs. 1 HGB ist diese Tätigkeit aber eindeutig als selbständig einzuordnen (freie Wahl der Arbeitszeit, Ort etc.). Trotzdem möchte ich vermeiden, dass ein Strafverfahren durch das Hauptzollamt eingeleitet wird, da das sicherlich mit großem Aufwand auch meinerseits und des Auftraggebers verbunden ist. Was kann ich tun?

Antwort

Natürlich kann die Tätigkeit als Handelsvertreterin und Handelsvertreter sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch als selbständige Tätigkeit ausgeübt werden. Es gelten hier die klassischen Abgrenzungskriterien, wie sie auch in der Anlage 2 des Rundschreibens der Sozialversicherungen (hier: Rundschreiben aus 2019 - Statusfeststellung von Erwerbstätigen Stand: 21.3.2019 - Datei: Anlage 2 auswählen) explizit für Handelsvertreterinnen und Handelsvertreter beschrieben sind.

Woraus die Sachbearbeiterin des Gewerbeamtes ihre Zweifel herleitet, ist zumindest aus Ihrer Schilderung über die beabsichtigte Tätigkeit für mich nicht erkennbar.

Tatsächlich sind die Gewerbeämter gehalten, dem Hauptzollamt entsprechende Auffälligkeiten zu übermitteln. Eine zwingende Prüfung durch das Hauptzollamt ist damit aber tatsächlich nicht verbunden, d.h. ein Verfahren würde nur dann eingeleitet, wenn das Hauptzollamt Ihren Fall ebenfalls als besonders auffällig beurteilen würde.

Rechtlich handelt es sich bei einer Gewerbeanmeldung nicht um eine Gewerbeerlaubnis, sondern lediglich um eine Anmeldung. Eine solche Ablehnung ist nach meiner Kenntnis rechtlich nur in einem beschränkten Maße möglich, beispielsweise wenn das Gewerbe gegen gute Sitten verstößt. Da es sich hier jedoch offenbar um die Anmeldung einer Tätigkeit als klassischer Handelsvertreter zum Vertrieb von „Fahrrädern" handelt, erscheint eine Ablehnung daher aus meiner Sicht eher ungewöhnlich.

Ich würde Ihnen daher empfehlen, der Sachbearbeiterin die Anlage 2 des Rundschreibens vorzulegen und nochmals um die Entgegennahme Ihrer Gewerbeabmeldung zu bitten.

Unabhängig davon besteht die Möglichkeit ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund durchzuführen. Es können jedoch grundsätzlich nur konkrete, also tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnisse beurteilt werden. Nur in begründeten Zweifelsfällen, die m.E. hier nicht unbedingt erkennbar sind, wird eine gutachterliche Stellungnahme vorab erstellt.

Sie haben natürlich die Möglichkeit, unmittelbar nach Aufnahme dieser Tätigkeit eine solche Statusfeststellung (Clearingverfahren) zu beantragen, um eine verbindliche Entscheidung darüber zu erhalten, ob eventuell doch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Auf diese Weise können Sie, aber in erster Linie der für die Beitragszahlung haftende Auftraggeber, das Risiko einer nachträglichen Beitragsnachforderung als Ergebnis von Betriebsprüfungen u.ä. vermeiden.

Die Antragvordrucke zum Statusfeststellungsverfahren finden Sie hier.

Zudem könnten Sie bei Ihren künftigen Auftraggeberinnen und Auftraggebern vorab nachfragen, ob bereits bei anderen Handelsvertretern für Pedelecs, die bereits für das Unternehmen tätig sind, ein Clearingverfahren durchgeführt worden ist. Sofern die Rahmenbedingungen, unter denen die Tätigkeiten ausgeübt werden, identisch sind, wäre dies schon vorab ein relativ sicheres Indiz für das Ergebnis der späteren Prüfung.

An dieser Stelle möchte ich Sie aber zusätzlich darauf hinweisen, dass auch für Selbständige, sofern sie die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, grundsätzlich kraft Gesetzes eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Auch Handelsvertreterinnen und Handelsvertreter, die im Rahmen von Vermittlungsmodellen tätig werden, fallen darunter.

Eine Tätigkeit für eine Auftraggeberin und einen Auftraggeber liegt vor, wenn Sie mindestens fünf Sechstel der gesamten Betriebseinnahmen aus den zu beurteilenden Tätigkeiten allein aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber beziehen. Die Versicherungspflicht tritt hingegen nicht ein, wenn die selbständige Tätigkeit als geringfügig anzusehen ist, d.h. wenn der monatliche steuerrechtliche Gewinn nicht mehr als 538 Euro (Stand: Januar 2024) beträgt oder Sie im Zusammenhang mit Ihrer selbständigen Tätigkeit eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin oder einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Sofern aufgrund dieser Vorschrift dem Grunde nach Versicherungspflicht besteht, kann eine Befreiung für Existenzgründerin und Existenzgründer für die Dauer von drei Jahren beantragt werden (verspätete Antragstellung führt zur Verkürzung des Befreiungszeitraumes). Nach Ablauf der drei Jahre tritt Versicherungspflicht ein, es sei denn es wird - wie bereits beschrieben - entweder eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin oder ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt oder die Betriebseinnahmen verteilen sich dann so auf verschiedene Auftraggeberinnen und Auftraggeber, dass nicht mehr als fünf Sechstel von einer Auftraggeberin oder einem Auftraggeber kommen. Diese und weitere Informationen hierzu finden Sie in dieser Broschüre.

Sofern Sie weitere Fragen haben oder Unterstützung benötigen, wenden Sie sich bitte an das kostenfreie Servicetelefon der Deutschen Rentenversicherung unter 0800 1000 4800.

Quelle:
Carsten Schulz
Deutsche Rentenversicherung Bund

Stand:
Juni 2024

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