Navigation

Handwerk: Ist die Fertigung von Dekoartikeln Kunst oder Handwerk?

Frage

Ich bin Hobbyheimwerker: Hauptsächlich Holz, aber auch Metall, Leder, etc. Ich fertige Dekoartikel und Gebrauchsgegenstände an. Stets Einzelstücke, oder Kleinstserien (zuletzt z.B. 20 Ostereier aus Holz).

Alles entwerfe ich selbst; neben der Funktion zählt die kreative Gestaltung. Bislang nur für privat, aber ich würde gerne auch online verkaufen dürfen.

Weil ich eine Drechselbank besitze, wurde der Antrag nach Rücksprache mit der Handwerkskammer abgelehnt: Drechseln ist meisterpflichtig. Bestenfalls "Holzbildhauer" gehe.

Aber der Vorschlag trifft es nicht. Ich probiere vieles: Neben Holzdeko auch Messer bauen, Kleinmöbel, Keramik, Malerei, ... ich möchte mich nicht auf ein Gewerk einschränken lassen.

Ich denke, der universelle Begriff „Kunsthandwerk“ trifft es gut, aber der Sachbearbeiter stört sich am Wort "Handwerk" darin.

Antwort

Wenn Sie eine Tätigkeit aufnehmen, auch nebenberuflich, müssen Sie ein Gewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit anmelden. Gehört Ihre Tätigkeit aufgrund Ihrer Qualifikation, z.B. durch ein Hochschulstudium, zu den sogenannten Katalogberufen des §18 EStG, so haben Sie auch die Möglichkeit eine freiberufliche Tätigkeit auszuüben und diese beim Finanzamt anzumelden.

Freiberufler sind nicht gewerbesteuerpflichtig.
Im §18 des Einkommenssteuergesetz ist geregelt, welche Berufe zu den freien Berufen gehören und welche Qualifikationen erforderlich sind.
In der Regel sind dies selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten. Dabei ist nicht ein absolviertes Hochschulstudium das Kriterium, sondern es muss sich um eine Ausbildung wissenschaftlicher Art handeln. Darunter fallen auch das Selbststudium oder durch Berufstätigkeit erworbene Kenntnisse. Die Kenntnisse müssen dem Niveau eines Hochschulstudiums entsprechen.

Zu den Katalogberufen gehören auch Kulturberufe wie Designer oder auch Graphikdesigner, wenn der künstlerische Aspekt ihrer Tätigkeit im Vordergrund steht.
Laut einem Urteil des Bundesfinanzhofes sind Designer, die Gebrauchsgegenstände mit geringer eigenschöpferischer Leistung und künstlerischer Gestaltungshöhe entwerfen, keine Freiberuflerinnen und Freiberufler, sondern betreiben ein Gewerbe. Darum ist Ihre Tätigkeit vermutlich eher einem Gewerbe zuzuordnen.

Ihr Gewerbe müssen Sie, nach § 14 GewO, beim zuständigen Gewerbeamt Ihrer Stadt oder Ihrer Gemeinde anmelden. In der Regel, viele Behörden bieten dies mittlerweile an, kann die Anmeldung online erfolgen. Das Gewerbe muss gleichzeitig mit der Aufnahme der Tätigkeit angemeldet werden und die Anmeldung ist gebührenpflichtig. Sie können Ihr Gewerbe auch nebenberuflich betreiben.

Bei der Gewerbeanmeldung müssen Sie auch angeben, ob Sie ein Handwerk oder einen Handel betreiben. Aus Ihrer Angabe wird auch abgeleitet, ob Sie Mitglied der Industrie- und Handelskammer (IHK) oder der Handelskammer werden müssen. In Deutschland gibt es eine Pflichtmitgliedschaft von Gewerbetreibenden in Handwerks- oder Industrie- und Handelskammern, die gesetzlich geregelt ist.

Als Mitglied einer Industrie- und Handelskammer und/oder einer Handwerkkammer müssen Sie einen jährlichen Mitgliedsbeitrag zahlen. Die Höhe dieses Beitrages wird von Ihrer zuständigen Industrie- und Handelskammer festgelegt. Für Existenzgründer gibt es häufig Sonderregelungen.

Nicht für alle Handwerksberufe gibt es eine Meisterpflicht. Es gibt auch zulassungsfreie Handwerksberufe und handwerksähnliche Berufe ohne Meisterpflicht. Für Drechsler besteht seit 2020 wieder eine Meisterpflicht. Vermutlich aus diesem Grund hat die Handwerkskammer Ihren Antrag abgelehnt.

Kunsthandwerk und Kunst lassen sich nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen. Handwerker sind Gewerbebetreibende, Künstler nicht. Demzufolge benötigen Künstler auch keine Eintragung in die Handwerksrolle und keinen Meistertitel. Für die Abgrenzung ist entscheidend, ob es sich im Wesentlichen um eine erlernbare Tätigkeit handelt oder ob die Tätigkeit als eigenschöpferisches, gestaltendes Schaffen einzustufen ist. Orientierung bietet auch die Einschätzung des Finanzamtes. Wird eine freiberufliche Tätigkeit verneint, ist in der Regel eine Anerkennung als Künstler auch nicht möglich.

Auch für Kunsthandwerker gilt die Handwerksordnung. Gehört Ihr Kunsthandwerk zu einem zulassungspflichtigen Handwerk, gilt auch hier die Meisterpflicht. Ich empfehle Ihnen das Gespräch mit der Handwerkskammer zu suchen.

Darüber hinaus können Sie sich weiterqualifizieren oder Sie können sich eine Geschäftspartnerin oder einen Geschäftspartner suchen der über die notwendigen Qualifikationen verfügt.

Abschließend möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass es in Deutschland eine Reihe von, größtenteils kostenfreien, Beratungsangeboten für Existenzgründerinnen und Existenzgründer gibt.

Mit Hilfe des Behörden­wegweisers finden Sie notwendige Adressen und Ansprechpartner in Ihrer Region.

Quelle:
Sven Kraffzick
Diplom-Betriebswirt (FH)
Master of Business Consulting (M.BC.)
Unternehmens- und Managementberatung

Stand:
Mai 2021

Hotline 030-340 60 65 60 Für allgemeine Fragen
Montag bis Donnerstag: 8:00 - 18:00 Uhr
Freitag: 8:00 - 12:00 Uhr
nach oben