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Physiotherapie mit zwei weiteren Tätigkeitsfeldern: Gemischte Tätigkeit?

Frage

Ich möchte eine Physiotherapie eröffnen (Einzelunterricht). Zusätzlich plane ich zwei weitere Tätigkeitsfelder:
A Angebot von Sportkursen, in den Räumlichkeiten der Praxis (in einem separaten Trainingsbereich)
B Betriebl. Gesundheitsmanagement (BGM)
Folgende Fragen habe ich:
1) Ist es empfehlenswert, die zwei oben genannten gewerblichen Tätigkeiten separat als Kleingewerbe anzumelden (separate Geschäftskonten/Geschäftsadressen (A in der Praxis, B andere Adresse) oder kann ich sie zusammenfassen?
2) Was muss ich beachten, wenn freiberufliche und gewerbliche Tätigkeit an gleicher Geschäftsadresse stattfindet? Kann Logo/ Visitenkarte beides zusammenfassen (Name, Physio&Kurse) oder kann dies zu Problemen führen? Wie ist es mit Mitarbeitern, die Therapeuten sind, aber auch Kurse geben?
3) Ab welchem Punkt würde der gewerbliche Teil den freiberuflichen infizieren? Könnte dies auch passieren, wenn das BGM eine andere Geschäftsadresse hat?
Einen Steuerberater ziehe ich hinzu, wünsche mir aber eine Zweitmeinung.

Antwort

Physiotherapie ist ein freier Beruf, der im Einkommensteuergesetz ausdrücklich genannt ist (Krankengymnast als Katalogberuf). Ist eine Physiotherapeuthin oder ein Physiotherapeut unterrichtend tätig, so kann dies als freiberuflich im einkommensteuerlichen Sinne angesehen werden, sofern der Unterricht sich auf Inhalte erstreckt, die dem Wissens- und Anwendungsgebiet der Physiotherapie zugeordnet werden. Darüber hinaus sind noch die grundsätzlichen Anforderungen an unterrichtende Tätigkeiten nach Steuerrecht und einschlägiger Rechtsprechung zu beachten: Unterricht ist demnach die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrerinnen und Lehrer an Schülerinnen und Schüler in organisierter und institutionalisierter Form. Diese Art des Unterrichts setzt vor allem ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm voraus. Erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines speziell auf die Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine beratende Tätigkeit.

Die unterrichtende Tätigkeit von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten kann freiberuflich sein im Sinne des Einkommensteuergesetzes, wenn diese Lehre sich aus dem Berufsbild erschließt. Hier könnten Elemente zum Tragen kommen wie Sportphysiotherapie oder Anleitung zu Entlastungs-, Entspannungs- oder Mobilitätsübungen.

Besonders wichtig für Sie: Bei nebenberuflicher Unterrichtstätigkeit ist in der Regel von Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1Nr. 1 EStG auszugehen, insbesondere wenn die Arbeit nur wenige Wochenstunden umfasst.

Kommen wir zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (Gesundheitsförderung). Hier können etwa folgende Kompetenzen der Physiotherapie besonders zum Tragen kommen: Bewegungstherapie, FBL (funktionelle Bewegungslehre), Chirogymnastik, Wirbelsäulengymnastik, Entspannungstechniken, Gesundheitsvorsorge (Prävention), Psychomotorik.

Die Angaben zum Berufsbild sind entnommen: Bundesagentur für Arbeit, berufenet, Physiotherapeut/-in.

Grundsätzlich gilt: Sind die Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung dem Berufsbild der Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten zuzuordnen, kann eine freiberufliche Dienstleistung vorliegen. Dieses Argument kann verstärkt werden durch eine Förderung von Maßnahmen durch Krankenkassen.

Lesen Sie zu den Voraussetzungen für die (Mit)Finanzierung der betrieblichen Gesundheitsförderung beim GKV-Spitzenverband nach.

Den Leistungskatalog zur betrieblichen Gesundheitsförderung finden Sie ebenfalls in dieser Quelle. Sehen Sie ergänzend auch bei den Industrie- und Handelskammern unter „Betriebliche Gesundheitsförderung. Checkheft für kleine und mittlere Unternehmen“ nach.

Betriebliche Gesundheitsförderung kann auch Unterricht umfassen. Damit würde eine enge Verknüpfung zwischen beratenden und unterrichtenden Leistungen auch in der Physiotherapie bestehen.

Zu der Frage, wie Sie bei Beschäftigung von Berufskollegen vorgehen sollten, verweise ich auf das folgende Urteil des Bundesfinanzhofs: (Zitat) Leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit selbständiger Ärzte bei Beschäftigung angestellter Ärzte

Leitsatz

1. Selbständige Ärzte üben ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich aus, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen.

2. Voraussetzung dafür ist, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals —patientenbezogen— Einfluss nehmen, so dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit” des Steuerpflichtigen trägt (Anschluss an BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509).

3. Führt ein selbständiger Arzt die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durch, legt er für den Einzelfall die Behandlungsmethode fest und behält er sich die Behandlung „problematischer Fälle” vor, ist die Erbringung der ärztlichen Leistung durch angestellte Ärzte regelmäßig als Ausübung leitender eigenverantwortlicher freiberuflicher Tätigkeit im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG anzusehen.(Zitatende)

BFH-Urteil v. 16.07.2014 - VIII R 41/12 BStBl 2015 II S. 216

Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich hieraus auch für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten? Sie sollten (weitgehend) vermeiden, dass angestellte Kolleginnen und angestellte Kollegen oder freie Mitarbeiterinnen und freie Mitarbeiter alleine in der Praxis arbeiten. Darüber hinaus sollten Sie Ihre eigene Mitwirkung an der Tätigkeit von Kollegen dokumentieren, insbesondere nach Art und Umfang Ihrer persönlichen Kontakte zu Patientinnen und Patienten sowie Anleitung und Überprüfung der Arbeit von Kollegen. Dabei sollte der Schwerpunkt Ihrer Mitwirkung auf Behandlungsentscheidungen liegen.

Hier noch eine Anmerkung zum Kleingewerbe (im Unterschied zur „Kleinunternehmerregelung): Ein Gewerbe wird nicht in das Handelsregister eingetragen und unterliegt auch nicht den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB), wenn es sich um Einzelunternehmen handelt oder Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GbR) und die jährlichen Einnahmen folgende Grenzen nicht überschreiten: 600.000 Euro Umsatz und 60.000 Euro Gewinn. Sie müssen dann vor allem keine doppelte kaufmännische Buchführung führen und keine Bilanz erstellen.

Die Bestimmungen zum Kleingewerbe gelten nicht für Freiberufler, die Kleinunternehmerregelung greift für alle Selbstständigen.

Die zusammenfassende Empfehlung lautet: Sprechen Sie mit Ihrem Finanzamt, das auch eine beratende Funktion hat. Sie können keineswegs davon ausgehen, dass die Finanzverwaltung zu derartigen Fragestellungen eine einheitliche Linie vertritt. Genauere Kenntnisse hat sicherlich Ihre Steuerberaterin oder Ihr Steuerberater.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung

Stand:
Juni 2021

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