Antwort
Das Wichtigste vorab: Finanzämter sind mit der Frage nach künstlerischen Tätigkeiten im Sinne des Einkommensteuerrechts häufig überfordert. Die Folge ist nach vorliegenden Erfahrungen eine höchst unterschiedliche Handhabung der Thematik. Der Hauptgrund hierfür ist in der Tatsache zu sehen, dass es eine steuerrechtliche Definition von Kunst nicht gibt, sondern lediglich eine Umschreibung.
Die Frage, ob eine künstlerische und damit freiberufliche Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes vorliegt, kann nur im Wege der Einzelfallprüfung beantwortet werden. Hier gilt zunächst, dass im Gegensatz zu anderen freien Berufen eine spezifische Ausbildung nicht erforderlich ist (ein Kunststudium etwa ist auch bei der Beurteilung der Freiberuflichkeit von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich). Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen freier Kunst (z.B. Komponisten oder Kunstmaler) sowie Kunsthandwerk und Handwerk. Die künstlerische Tätigkeit wird demnach vor allem dadurch gekennzeichnet, dass kein Gebrauchszweck vorliegt. Ziel dieser Formen der Kunst ist die Hervorbringung einer ästhetischen Wirkung. Die Tätigkeit muss auf einer eigenschöpferischen Leistung beruhen, in denen eine „individuelle Anschauungsweise“ zum Ausdruck kommt. Dabei muss eine „gewisse künstlerische Gestaltungshöhe“ erreicht werden. Ein gewerblicher Verwendungszweck schließt die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit dann nicht aus, wenn der Kunstwert den Gebrauchswert übersteigt.
Zum Kriterium der Gestaltungshöhe ein Beispiel aus der Rechtsprechung: In der Sache einer Kunstmalerin, die ihre selbst geschaffenen Bilder verkaufte, urteilte der Bundesfinanzhof entgegen der Stellungnahme eines Gutachters. Die Gutachterkommission einer staatlichen Kunstakademie hatte die künstlerische Tätigkeit der Malerin mit der Begründung abgelehnt, die Bilder seien „künstlerisch ohne Belang“. Das Gericht folgte dem nicht. Vielmehr entschied es, dass die Einkünfte der Malerin aus dem Verkauf ihrer Bilder Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG seien, weil die Bilder mit unterschiedlichen Motiven, ohne Schablonen und ohne Mithilfe fremder Arbeitskräfte gemalt worden waren und somit den in Kunsthandlungen angebotenen Bildern vergleichbar seien (BFH 14.8.80, IV R 9/77, BStBl II 81, 21).
Zum Verwendungszweck verweise ich auf ein weiteres Urteil: „Eine künstlerische Tätigkeit kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn jemand zwar seine Leistungen in den Dienst der Werbung stellt, diese aber aufgrund künstlerischer Fähigkeiten und in künstlerischer Weise vollbringt. Entscheidend ist, ob die Arbeiten ohne Rücksicht auf ihre Verwendung künstlerischen Charakter aufweisen. Dazu ist erforderlich, dass sie nicht das Produkt handwerksmäßig erlernter bzw. erlernbarer Tätigkeiten darstellen, sondern darüber hinaus etwas Eigenschöpferisches enthalten und eine künstlerische Gestaltungshöhe aufweisen.” (BFH-Urteil vom 14.12.1976 VIII R 76/75, BStBl II 1977, 474; FG Köln - Urteil vom 15. Februar 2006 - Az. 14 K 7867/98)
Zunächst sollten Sie das persönliche Gespräch mit dem Finanzamt suchen. Auf der Grundlage der schriftlichen Begründung des Finanzamtes und einer Dokumentation (typische Arbeitsproben) Ihrer Arbeit können Sie darüber hinaus die Unterstützung eines Steuerberaters oder eines Sachverständigen für freie Berufe suchen.
Sehen Sie auch die PRAXISHILFE: Freiberufliche Künstlerinnen und Künstler (PDF, 111 KB).
Abschließend verweise ich auf den sehr aufschlussreichen Beitrag von Dr. Wolfgang Maaßen „Die Feststellung der Künstlereigenschaft durch die Finanzbehörden“.
Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
November 2019