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Nachhilfeschule in Mietwohnung?

Frage

Ich möchte als Inhaberin eine zweite Nachhilfeschule eröffnen. Die Räumlichkeiten, die ich mir abgesehen haben, wären perfekt, sind aber eine 3-Zimmerwohnung im einem Mietshaus. Der Vermieter wäre mit dieser Tätigkeit in dieser Wohnung auch einverstanden. Unterrichtet werden die Kinder nachmittags von zwei Studenten mit Bachelorabschluss auf Honorarbasis. Ich bin die Inhaberin und organisiere die Unterrichtszeiten etc. Darf ich als Inhaberin einer Nachhilfeschule in einer Mietwohnung mit Einverständnis des Vermieters eine Nachhilfeschule betreiben? Ist das ein Gewerbe oder freiberuflich? Es wäre schön, wenn ich darauf eine eindeutige Antwort bekommen könnte. Ich besitze schon seit Jahren einen Gewerbeschein. Meine andere Nachhilfeschule befindet sich in Gewerberäumen.

Antwort

Die Rechtsprechung stellt hinsichtlich der Nutzung von Wohnungen für Gewerbe oder freie Berufe in erster Linie auf die Besucherfrequenz ab. So ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln die Nutzung einer Wohnung als private Schülernachhilfe unzulässig (OLG Köln, Beschluss v. 23.7.2007, 16 Wx 25/07). Im entschiedenen Fall waren in den Nachmittagsstunden 10 bis 15 Schüler zur Nachhilfe gekommen. Dies würde bedeuten, dass die Anzahl der Schüler unter dieser Grenze liegen müsste. In einer früheren Sache hat das OLG Köln entschieden, dass die Beeinträchtigungen der Miteigentümer nicht über ein Maß hinaus gehen sollte, das eine möglicherweise mehrköpfige Familie mit ihrer Wohnnutzung beansprucht (OLG Köln · Beschluss vom 15. Februar 2002 · Az. 16 Wx 232/01).
Darüber hinaus müssen Sie unbedingt behördliche Auflagen zur Nutzung von Wohnungen einhalten. Fragen hierzu beantwortet die zuständige Behörde (Bauamt, Bauordnungsamt etc.)
Den freien Berufen und ihnen „artverwandten Tätigkeiten“ wird eine „wohnartige Nutzung“ von reinen und allgemeinen Wohngebieten zugestanden (vgl. § 13 BauNVO). Allerdings gelten auch hier die Grenzen für die Kundenfrequenz. Dies könnte Ihnen den behördlich genehmigten Zugang zur Wohnraumnutzung für Nachhilfeunterricht erleichtern, aber die Begrenzung der Besucherzahl ist bei freiem Beruf und Gewerbe gleich.

Für den Zugang zur wohnartigen Nutzung wie zu den freien Berufen gilt gleichermaßen, dass Sie leitend und eigenverantwortlich tätig sein müssen. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sie fachlich vorgebildete, angestellte Arbeitskräfte beschäftigen. Sind Sie auf der Grundlage eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig, so führt auch die Mitwirkung von fachlich vorgebildeten Arbeitskräften, die womöglich ihrerseits freiberuflich tätig sind, nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit im steuerlichen Sinn. Die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit muss sich auf die Gesamttätigkeit und nicht nur auf einen Teilaspekt der Berufspraxis erstrecken. Unter Leitung ist nicht nur die Festlegung der Grundzüge für Organisation und Durchführung der Tätigkeit, sondern die Entscheidung und Überwachung grundsätzlicher Fragen nach festgelegten Grundzügen, also die volle fachliche Verantwortung für jeden einzelnen Auftrag zu verstehen. Die Leitung und die Verantwortlichkeit darf einem Geschäftsführer oder Vertreter nur vorübergehend übertragen werden, wenn also der Berufsträger z.B. während einer Erkrankung, eines Urlaubs, der Zugehörigkeit zu einer gesetzgebenden Körperschaft oder der Mitarbeit in einer Standesorganisation, seine Berufstätigkeit nicht selbst ausüben kann. Erbringen Sie Nachhilfeunterricht, so müssen Sie selbst auch unterrichtend tätig sein und über die Arbeit Ihrer Mitarbeiter ständig so unterrichtet sein, dass Sie deren Inhalte und Qualität unter Kontrolle haben. Wenn Sie die genannten Voraussetzungen für eine eigenverantwortliche und leitende Tätigkeit erfüllen, müssen Sie auch bei Beschäftigung von Mitarbeitern aus steuerlicher Sicht kein Gewerbe anmelden.

Hinsichtlich unterrichtender Tätigkeit im freien Beruf nach steuerlichen Gesichtspunkten müssen Sie noch das Folgende beachten: Nicht jede unterrichtende Tätigkeit ist steuerlich freiberuflich. Nach der Rechtsprechung ist Unterricht im Sinne des Einkommensteuergesetzes die planmäßige Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form. Auch die nebenberufliche Lehrtätigkeit wird hier zugeordnet, wenn sie sich ohne Schwierigkeiten von der Haupttätigkeit trennen lässt.

Der Unterricht kann der Rechtsprechung zufolge auch - wie beim Nachhilfeunterricht - individuell erteilt werden. Die Wissensvermittlung muss aber auch dann abstrakt und nicht konkret auf persönliche Probleme des Unterrichteten hin erfolgen. Werden die Kenntnisse oder Erkenntnisse nicht auf Grund eines allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms, handelt es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern um eine beratende Tätigkeit. Da Nachhilfe sich in der Regel an Lehrplänen, Prüfungsvorbereitungen und ähnlichen allgemeinen schulischen Vorgaben orientiert, handelt es sich meist um eine unterrichtende Tätigkeit. Eine wissenschaftliche Vorbildung verlangt das Steuerrecht nicht.

Nun kommen wir zu abweichenden Behandlung des Themas nach Gewerberecht, denn: Gewerberechtlich liegt eine freiberufliche Tätigkeit nur dann vor, wenn die Dienstleistung als solche höchstpersönlich erbracht wird und von „höherer Art“ ist, also regelmäßig eine Hochschulausbildung erfordert. Können also auch „Nichtakademiker“ diese Dienstleistung erbringen, liegt gewerberechtlich eine freiberufliche Tätigkeit nicht vor (vgl. Kommentar Landmann/Rohmer § 6 GewO Rd-Nr. 17, § 14 Rd-Nr. 26, 26b, Urteil BVerwG v.01.07.1987, Aktenzeichen: 1 C 25/85, Urteil VG Gelsenkirchen v. 18.03.2011, Az. 7 K 1531/10). Halten Sie nicht selbst den Unterricht, so müssen Sie gemäß § 14 GewO diese Tätigkeit anmelden - in der Regel beim Ordnungsamt. Damit entfällt leider auch die wohnartige Nutzung.

  1. Die Lösung sieht also wie folgt aus:
    Wenn Sie die genannten steuerlichen Voraussetzungen auch mit Ihrer „Filiale“ erfüllen und eine unterrichtende Tätigkeit ausüben, können Sie dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen. Dann haben Sie zumindest einkommensteuerlich diesen Status.
  2. Aus gewerberechtlicher Sicht müssten Sie ein Gewerbe anmelden, weil Sie die Dienstleistung nicht höchstpersönlich erbringen. Damit würde die Wohnung also gewerblich und nicht freiberuflich genutzt. Da Sie bereits einen Gewerbeschein besitzen, ist dies nur der Vollständigkeit wegen erwähnt.
  3. Ob Sie diese Wohnung gewerblich nutzen dürfen, müssen Sie auch bei der zuständigen Baubehörde erfragen.
  4. Nun müssten Sie noch die Begrenzungen in Bezug auf die Frequentierung der Wohnung durch Schülerinnen und Schüler und Nachhilfelehrer beachten. Allerdings besteht hier ein gewisser Spielraum.

Ihre Anfrage hätte ich gerne einfacher beantwortet, aber die Sachlage steht dem entgegen.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung

Stand:
Juni 2019

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