Navigation

09.09.2014 -

Interview mit Elyas Hannoun
„Eine Hand allein kann nicht applaudieren“

Einleitung

Der Name „Bab Kisan“, in Damaskus eines der bekanntesten antiken Stadttore, steht in Berlin für ein Tor zur authentischen syrischen Küche. Elyas Hannoun bringt damaszenische Küche und Kultur in die deutsche Hauptstadt.

Porträt von Elyas Hannoun

© Jimmi Schlemmer

SUYF: Elyas, wie ist die Idee für dein Unternehmen „Bab Kisan“ entstanden?

Elyas: Kochen war immer meine Leidenschaft. Als ich Ende 2013 mit meiner Familie aus dem Libanon nach Deutschland gekommen bin, habe ich mich erstmal voll auf die Sprache konzentriert. Wir kommen ursprünglich aus Syrien, haben aber ein Jahr im Libanon verbracht. Und ich habe meine Fähigkeiten als Koch weiterentwickelt. Ich habe ehrenamtlich große Kochprojekte geleitet und verschiedene Praktika in Sternehotels absolviert. All diese Erfahrungen haben sich zu einem Rezept entwickelt, welches mein Unternehmen „Bab Kisan“ hervorgebracht hat. Damit erfülle ich mir meinen Wunsch, die kulinarische Welt und Esskultur zur vermitteln.

SUYF: Hast du in Syrien bereits als Koch gearbeitet?

Elyas: Nein, aber ich war lange im Gastronomiebereich tätig. Koch zu sein, bedeutet für mich mehr als nur kochen. Es bedeutet auch Kreativität und die Entwicklung von Gerichten. Ich habe mich über die Zeit zu einem Profikoch entwickelt und bin sehr stolz darauf.

SUYF: Wie sehen Events von Bab Kisan aus?

Elyas: Auf Wunsch meiner Kunden organisiere ich orientalische Events mit Livemusik, authentischem Essen, Tänzen und arabischem Kaffee. Bei den Kochkursen bringe ich immer auch meine Kreativität mit ein und schaffe eine schöne Atmosphäre. Die Kunden können die Zutaten auch bei mir kaufen. Auf dem deutschen Markt sind sie oft nicht zu finden. Für die Rezepte ist es aber wichtig, dass die richtigen Zutaten in einer hohen Qualität verwendet werden.

SUYF: Du bist in Syrien bereits Gründer gewesen...

Elyas: Gemeinsam mit meinem Bruder habe ich die letzten fünf Jahre vor dem Krieg eine eigene Baufirma gegründet. Davor hatte ich einen eigenen Imbiss und eine Goldschmiedewerkstatt. Ich kann sagen, dass ich Gründungserfahrung aus meiner Heimat mitgebracht habe. Trotzdem hat mir das nicht viel gebracht.

SUYF: Warum, was hat dir gefehlt?

Elyas: Das System in Syrien ist ganz anders als das deutsche. Bei uns in Syrien ist es leichter zu gründen. In Deutschland ist es komplizierter, aber aus wichtigen Gründen. Man muss von Anfang an alles genau planen. Auch die Finanzierung. Das war alles neu für mich.

SUYF: Wie hast du deine Gründung finanziert?

Elyas: Mit meinem ersten Business- und Finanzplan hatte ich geplant, einen Mikrokredit für Geflüchtete in Höhe von 15.000 Euro aufzunehmen. Und ich wollte den Gründungszuschuss beim Jobcenter beantragen. Die Überlegung war, klein anzufangen und Stück für Stück mein Unternehmen zu vergrößern.

SUYF: Aber es ist anders gekommen...

Elyas: Genau. Ich habe am Ende noch kleiner angefangen als geplant. Den Kredit habe ich nicht aufgenommen, obwohl er mir gewährt worden wäre. Aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten habe ich den Zuschuss vom Jobcenter nicht bekommen. Der bürokratische Aufwand in Deutschland ist hoch für Unternehmer, das führt dazu, dass ein Gründungsprozess lang dauern kann.

SUYF: Warum hast du den Kredit nicht aufgenommen?

Elyas: Hier hat mein begrenzter Aufenthaltstitel eine große Rolle gespielt. Die Kreditlaufzeit wird maximal für die Dauer des Aufenthaltstitels gewährt. Dieser war zum Zeitpunkt nur noch 15 Monate gültig, ich hätte also ab dem ersten Monat große monatliche Zahlungen leisten müssen. Das ist eine große Last für ein neu gegründetes Unternehmen, gerade in der Anfangszeit.

SUYF: Gab es Möglichkeiten, die Kreditlaufzeit zu verlängern?

Elyas: Ja, mir wurde empfohlen einen Bürgen zu suchen, um die Kreditlaufzeit zu verlängern und damit die monatliche Rückzahlungsrate zu verringern. Ein Bekannter meiner Familie hat sich als Bürge angeboten. Als ich ihm den Haufen Unterlagen gezeigt habe, die er ausfüllen sollte, hat er sofort abgelehnt. Er hat mir daraufhin ein privates Darlehen angeboten. Der bürokratische Aufwand für die Bürgschaft war einfach zu hoch, es hätte zu viel Zeit gekostet. Außerdem muss ein Bürge sehr viele Informationen über sich offenlegen. Man verlangt viel von einem Bürgen.

SUYF: Welche Alternative hast du gefunden?

Elyas: Ich habe mich für die private Finanzierung durch Verwandte und Freunde entschieden und den Kredit abgelehnt. Ich hatte keine andere Möglichkeit.

SUYF: Du arbeitest gerade an einer Crowdfunding Kampagne. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?

Elyas: In einem Seminar habe ich das erste Mal von dieser Finanzierungsmethode erfahren. Daraufhin habe ich mich entschlossen, sie für mich zu nutzen. Ich finde Crowdfunding ist eine gute Möglichkeit, wenn man eine schöne Idee oder gute Produkte hat. Es ist aber eine Menge Arbeit, die nicht zu unterschätzen ist. Ich arbeite an meiner Kampagne seit mehreren Monaten und stehe in engem Kontakt mit meiner Beraterin. Das ist wichtig, um alles gut zu planen und damit die Erfolgschancen der Kampagne zu erhöhen. Eventuell wird diese erst im März 2020 online veröffentlicht, so lange dauert das, wenn man es gut machen will. Gerade bereite ich ein Pitchvideo vor. Man darf auch nicht vergessen, dass dabei nichts garantiert ist. Das schöne ist, dass man kein Geld investieren muss, das man nicht hat. Es kostet aber viel Zeit und Kraft. Ich habe meine Story und sehr gute Produkte. Man braucht gute Beratung und ein gutes Netzwerk. Das alles habe ich.

SUYF: Was hast du mit dem Geld geplant?

Elyas: Ursprünglich wollte ich damit ein neues Unternehmen finanzieren und in die Produktherstellung gehen. Bei der Beratung haben wir aber festgestellt, dass das für den jetzigen Moment noch zu groß ist. Jetzt will ich ein kleines Restaurant oder einen Feinkostladen eröffnen, als Erweiterung meines Unternehmens Bab Kisan. Ein Laden würde mir sehr helfen die Grundlagen für ein größeres und rentableres Unternehmen zu schaffen.

SUYF: Welches Hindernis war während deiner Gründungsfinanzierung am bedeutsamsten?

Elyas: Das größte Hindernis war die Bürokratie. Meine Strategie war immer learning by doing und die Einstellung, dass man die Dinge nehmen muss wie sie kommen. Ich habe mich auf die neuen Situationen eingestellt und andere Lösungen gefunden. Auf Arabisch sagt man „eine Hand allein kann nicht applaudieren“ – hier, in einem neuen Land, brauchen wir unbedingt Hilfe und Unterstützung und die bekommen wir. Aber wir müssen auch lernen, uns auf uns selbst zu verlassen.

SUYF: Was kannst du anderen Gründerinnen und Gründern mitgeben?

Elyas: Ich würde anderen empfehlen, sich bei jedem Schritt gut beraten zu lassen. Das ist wichtig und muss niemandem unangenehm sein. Damit kann man Hindernisse und Misserfolge vermeiden. Das System ist hier anders und wir haben meistens nicht die richtige Vorstellung. Wir haben großartige Ideen und große Motivation und brauchen nur die passende Orientierung.

Interview: Pia Voelker
Stand: 2019

Hotline 030-340 60 65 60 Für allgemeine Fragen
Montag bis Donnerstag: 8:00 - 18:00 Uhr
Freitag: 8:00 - 12:00 Uhr
nach oben