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Vermessungstechniker: Büro gründen?

Frage

Ich überlege, mich als Vermessungstechniker selbständig zu machen (Einzelunternehmer). Ich habe meine dreijährige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und bin seitdem ohne Unterbrechung als angestellter Vermessungstechniker tätig. Darf ich mit meiner jetzigen Qualifikation ein Vermessungsbüro gründen? Gibt es Zulassungsvoraussetzungen? Welche Arbeiten darf ich aus der freien Wirtschaft annehmen? Mir ist keine Institution bekannt, die solche Fragen beantworten kann: Gewerbeamt, IHK, Handwerkskammer (nicht zuständig), Verwaltungsakademie Berlin usw. konnten mir dazu keine Angaben machen. Gehört Vermessung zu den freien Berufen, die jedermann ausüben darf? Vielleicht können Sie mir ja eine Behörde/Organisation nennen, die mir solche Fragen beantworten kann.

Antwort

Als Vermessungstechniker können Sie ein Unternehmen gründen. Besondere Anforderungen gibt es nicht. Arbeiten, die Sie ausführen dürfen, ergeben sich aus dem Berufsbild. Dieses Berufsbild finden Sie etwa bei der Bundesagentur für Arbeit.

Das ist die gute Nachricht. Zur Gründung stehen Ihnen die umfangreichen Informationen des BMWi zur Verfügung. Den Einstieg finden Sie im BMWi-Existenzgründungsportal.

Weniger positiv stellt sich die Situation der selbständigen Vermessungstechniker dar. Nach meiner Erfahrung ist es für diesen Berufsstand sehr schwierig, unmittelbar - ohne die Kooperation mit Vermessungsingenieuren - Aufträge zu erhalten. Die Praxis der selbständigen Vermessungstechniker ist folglich meist geprägt von der Zusammenarbeit mit einem oder vor allem mehreren Ingenieurbüros in dieser Branche. Die zentrale Anforderung an Existenzgründer in diesem Bereich besteht folglich in der Erschließung von Aufträgen.

Zur Frage der Freiberuflichkeit: Um als Vermessungstechniker den Status eines Freiberuflers im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu erhalten, müssen Sie nach Qualifikation und Tätigkeit als ingenieurähnlich eingestuft werden. Diese kann ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn (Zitat) „der Steuerpflichtige zwar eine Ausbildung, die mit der in den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschriebenen Ausbildung vergleichbar ist, nicht nachweisen kann, seine Tätigkeit aber mathematisch-technische Kenntnisse voraussetzt, die üblicherweise nur durch eine Berufsausbildung als Ingenieur vermittelt werden“. (Zitatende) Quelle: BFH-Urteil vom 18.6.1980 (l R 109/77) BStBl. 1981 II S. 118

Zur Konkretisierung der Anforderungen (Zitat): „Setzt … der Katalogberuf eine qualifizierte Ausbildung voraus, reicht die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit allein nicht aus. Der Stpfl. muss auch über in Tiefe und Breite vergleichbare Kenntnisse verfügen (BFH Urteil vom 18.4.2007, XI R 29/06, BStBl II 2007, 781). Ohne den Nachweis dieser Kenntnisse ist der Stpfl. gewerblich tätig“. (Zitatende)

Für die Zuordnung von Technikern zu freien Berufen in ingenieurähnlicher Form gilt der Grundsatz der Einzelfallprüfung. Wer als Techniker die Anerkennung der Ingenieurähnlichkeit anstrebt, muss also entsprechende Nachweise führen. Hierzu werden insbesondere herangezogen detaillierte Beschreibungen zu beruflicher Qualifikationen einschließlich Fort- und Weiterbildungen, beruflichem Werdegang/einschlägiger Berufserfahrung und aktueller Tätigkeit.

Referenzen von (ehemaligen) Arbeitgebern und Auftraggebern können Hinweise auf besondere Qualifikationen geben, sofern diesbezügliche Angaben gemacht werden. Fort- und Weiterbildungen müssen nachgewiesen werden. Hinzu kommen besondere Nachweise wie relevante Lehraufträge, Publikationen, die Mitgliedschaft in Berufsorganisationen, Tätigkeiten als Ausbilder usw. Die Einstufung erfolgt nicht selten auf der Grundlage von Gutachten. Dabei ist es wichtig, dass Steuerpflichtige selbst beauftragte Gutachten nur von Fachleuten oder Stellen erbringen lassen, die von der Finanzverwaltung bzw. den Finanzgerichten grundsätzlich als unabhängig akzeptiert werden. Hier sind vor allem Hochschulen bzw. anerkannte Wissenschaftler zu nennen.

Die genannten Vorbehalte schließen nicht aus, dass die Finanzverwaltung Ihre Tätigkeit als ingenieurähnlich akzeptiert. Aber: Es kommt immer wieder vor, dass die Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung angenommen werden. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) bei Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit sehr hohen Anforderungen und Kosten verbunden.

Wie ein Techniker in der Rechtsprechung zur Gleichstellung mit dem Ingenieur in Bezug auf die Einkommensteuer kommt, können Sie einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts entnehmen:
(Zitat) „Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung erkennt, liegt eine ähnliche Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, wenn sie in ihren wesentlichen Punkten mit einem in dieser Vorschrift genannten Katalogberuf verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der beruflichen Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158/409, BStBl II 1990, 73). Die Ausbildung muss nicht an einer Hoch- oder Fachhochschule erworben sein. Es müssen jedoch theoretische Kenntnisse vorhanden sein, die in ihrer Breite und Tiefe denen an einer Fachhochschule oder Hochschule Ausgebildeten entsprechen (BFH-Beschluss vom 14. November 2000 IV B 156/99, BFH/NV 2001, 593). Diese theoretischen Kenntnisse sind nach Einschätzung des BFH deshalb bedeutsam, weil nur derjenige, der über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen verfüge, relativ einfach erscheinende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen vermöge und damit sicherer beurteilen könne als jemand, der dies nur aufgrund einer vorwiegend praktischen Ausbildung und aus praktischer Erfahrung tue (BFH, Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). Die theoretischen Kenntnisse seien damit prägend für die Tätigkeit des Katalogberufes (BFH, Urteil vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158/409, BStBl II 1990, 73)….

Im Streitfall ist die praktische berufliche Tätigkeit des Klägers mit der eines beratenden Ingenieurs vergleichbar. Dies hat der Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt. Ihm haben Arbeitsproben des Klägers vorgelegen. Der Sachverständige ist zu der Überzeugung gelangt, dass sich diese Arbeiten von denen eines Ingenieurs nicht unterscheiden lassen. Dem schließt sich auch das Gericht an“. (Zitatende) Niedersächsisches FG, Urteil vom 13. Dezember 2005, Az. 1 K 407/02

Es soll nicht verschwiegen werden, dass derartige Feststellungen die Ausnahme darstellen.

Eine beratende Institution kann ich Ihnen leider nicht nennen, da sich entsprechende Angebote auf die Vermessungsingenieure konzentrieren. Erfahrungsgemäß ist es hilfreich, erfahrene Berufskollegen ausfindig zu machen und zu befragen. Ich hoffe, Ihnen dennoch behilflich zu sein.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Mai 2019

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